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Eine gute Trauerrede – worauf kommt es an?

Bertram Wilken im Interview – Einblicke in den Lebensweg eines Trauerredners

Bertram Wilken, Trauerredner aus Eutin, schaut unter einen roten Stuhl
Bertram Wilken wählt eine außergewöhnliche Position – unter dem roten Stuhl

Bertram Wilken wurde 1966 in Bremen geboren. Es war schon sehr früh sein Wunsch, als Bestatter tätig zu werden und so absolvierte er bereits mit fünfzehn Jahren neben der Schule sein erstes Praktikum in einem Bestattungs-Institut und blieb diesem Beruf treu. Nach seiner Ausbildungszeit wurde er als Bestatter tätig und begann zusätzlich, Ende der 90er, auch Ansprachen bei Trauerfeiern zu halten - 2009 wurde das Sprechen zu seinem Hauptberuf.


Wir haben ihn in seiner Heimatstadt Eutin getroffen.


Sabine Baerwald: Herr Wilken, zunächst einmal vielen Dank, dass wir Sie hier in Eutin zu einem Interview treffen dürfen. Mitgebracht haben wir unseren roten Stuhl, auf dem wir Sie in der von Ihnen gewünschten Position vorhin fotografiert haben. Damit kommen wir auch gleich zu unserer ersten Frage: Warum haben Sie diese Position für das „Foto mit Stuhl“ gewählt?


Bertram Wilken: Mit meinem „Unter den Stuhl schauen“ geht es mir ums „genauer hinsehen“ oder „in die Tiefe“ gehen. Thema ist der Abschied von einem Menschen, konkret die Ansprache oder der Nachruf. Und dabei ist es tatsächlich wichtig, genau hinzuschauen, resp. genau hinzuhören im Gespräch mit den Angehörigen. Es soll ein stimmiges Bild der oder des Verstorbenen entstehen – man soll sie oder ihn und auch sich selbst wiedererkennen. Oberflächlichkeit füllt sicherlich die Zeit, wird aber niemandes Ansprüchen gerecht.


Sabine Baerwald: Schon mit fünfzehn Jahren absolvierten Sie neben der Schule ein Praktikum bei einem Bestatter. Wie kommt man als junger Mensch auf diese Idee?


Bertram Wilken: Tja, im Nachhinein würde ich sagen: es war das Resultat einer Mischung unglücklicher Umstände…


Mein Großvater war gestorben und ich durfte mit zur Abschiednahme am offenen Sarg. Er lag dort in diesem (damals) obligaten Hemdchen mit gefalteten Händen und war mir unglaublich fremd. Dort neben dem Sarg zu sitzen und ihn anzuschauen, gab mir selbst überhaupt nichts.


Mein Interesse galt damals dem Umfeld. Was ist das für ein Betrieb, welche Menschen arbeiten hier und was geschieht in den Räumen, die anderen verschlossen bleiben? Klar, pure Neugier, aber darauf mochte mir niemand aus meiner Familie antworten, es war noch deutlich mehr ein Tabu-Thema und ich wurde „abgewimmelt“. Da es das Internet noch lange nicht gab, musste ich andere Wege suchen (und finden) um mich zu informieren.


Schließlich bot sich die Möglichkeit zu einem Praktikum während der Osterferien. V.a. mein Vater war strikt dagegen, aber ich habe mich in diesem Punkt durchgesetzt. So entstand der erste und auch gleich sehr tiefe Einblick in die Tätigkeit.


Sabine Baerwald: Sie sind dem Beruf des Bestatters lange treu geblieben. Was hat Sie dazu bewogen und wie schwierig ist es, mit all diesen Schicksalen umzugehen?


Bertram Wilken: Ja… was mich dazu bewogen hat, die Frage habe ich mir über die Jahre oft gestellt. „Bestatter“ war zu dieser Zeit kein Lehrberuf, ich habe deshalb eine kaufmännische Ausbildung direkt in einem Bestattungs-Institut absolvieren können. Der Weg dahin war ein Kampf, den ich erst mit meiner Volljährigkeit gewinnen konnte, denn vorher stand die immer noch strikte Ablehnung meines Vaters dagegen.


Vielleicht war ich einfach zu stolz darauf, mich endlich mal durchgesetzt zu haben, als dass ich es in Erwägung gezogen hätte, meinen Weg zu ändern? Möglich. Fakt ist: ich hätte es tun sollen!


Schicksale… hmm - Ich glaube, es ist für einen selbst leichter, mit sehr traurigen Menschen umzugehen, (ohne deren Gefühle zu nahe an sich kommen zu lassen), wenn man in der Position (und damit in der Lage) ist, in dieser Situation tatsächlich helfen zu können. Als Bestatter bedeutet es, Wünsche umzusetzen, mitunter Dinge erst möglich zu machen, zu beraten usw., um schließlich den Abschied so zu gestalten, wie ihn die Familie sich wünscht.

Noch deutlich näher kommt man Angehörigen bei der Arbeit als Sprecher, denn im Vorgespräch wird sehr Persönliches preisgegeben – das betrifft sowohl die Familie, als auch den oder die Verstorbene selbst und auch das Verhältnis zueinander. Man lernt die Menschen oft besser kennen, als einem selbst lieb ist…


Mitunter ist es nicht so leicht, die sog. „professionelle Distanz“ für sich selbst aufrechtzuerhalten. Aber es gilt wieder, was ich über die Bestatter-Tätigkeit sagte: es hilft, helfen zu können. Ich glaube, das ist meine momentan gültige Antwort.


Sabine Baerwald: Seit 2009 haben Sie das Sprechen zu Ihrem Hauptberuf gemacht. Zwischenzeitlich bilden Sie Nachrufsprecher auch aus. Was ist für Sie eine gute Trauerrede – worauf kommt es an?


Bertram Wilken: Der Sprung in die hauptberufliche Sprecher-Tätigkeit entstand aus gesundheitlichen Gründen. Körperliche Arbeit war wg. meines, über die Jahre versauten Rückens nicht mehr möglich und mein Vorhaben, in einer ganz anderen Branche Fuß zu fassen, schlug leider fehl. So blieb ich dann, wo ich war: bei Angehörigen, in Kapellen und auf Friedhöfen.

Zur Definition einer guten Ansprache, greife ich mal auf zwei Sätze zurück, die ich irgendwann einmal für die Ausbildung formuliert habe und es meiner Meinung nach, auf den Punkt bringen:


„Ein persönlicher, guter Nachruf, soll lebendig und pointiert sein, aber auch nachdenklich, würdigend und dabei einfühlsam ehrlich. Er darf stellenweise durchaus Humor enthalten und soll Gedankenbilder hervorrufen – vor allem aber positiv nachklingen und Nachwirken.


Die Ausbildung von Nachrufsprechern und die Dozententätigkeit im Berufsverband – DAS ist übrigens, was mir wirklich Freude macht.



Bertram Wilken, Trauerredner Eutin
Nachdenklich – Bertram Wilken im Gespräch


Sabine Baerwald: Ein Lebensweg beinhaltet immer schöne und auch nicht so schöne Phasen – darf auf einer Trauerfeier auch gelacht werden?


Bertram Wilken: Oh ja, es darf! Ich versuche in Ansprachen, den Menschen zumindest die Chance zum Lachen (oder wenigstens schmunzeln) zu geben – wer sie an einem solchen Tag nutzen kann, der sollte sich die Gelegenheit nicht entgehen lassen.


Sabine Baerwald: Wie empfinden Sie die Trauerkultur in unserem Land? Was ist gut – was fehlt den Menschen?


Bertram Wilken: Ich finde es schon ziemlich gut, wie viele Möglichkeiten die Menschen inzwischen haben. Von der Beisetzung auf einem Friedhof, über die zahlreichen Möglichkeiten in Wäldern, auf Hoher See, usw. bis hin zum Diamanten aus der Asche, und einiges mehr. Abschiedsstunden sind in fast jedem Rahmen und an den unterschiedlichsten Örtlichkeiten durchführbar, Dekorationen sind viel individueller geworden, ebenso die Musik (sofern die Kirchenvertreter es zulassen…)

Überfällig ist eine deutliche Liberalisierung der Urnenbestattung, bzw. Aufbewahrung. Der noch immer gültige Friedhofszwang (Ausnahme See) ist meiner Ansicht nach absolut überholt.


Sabine Baerwald: Früher waren Familienmitglieder, Arbeitskollegen und Freunde nicht über die ganze Welt verteilt, unsere Gesellschaft ist zunehmend mobil geworden – wie kann da ein Austausch Ihrer Meinung nach funktionieren in der so wichtigen Trauerphase?


Bertram Wilken: Die Pandemie hat gezeigt, wie viel mehr hier die Technik eingesetzt werden kann. Trauerfeiern per Livestream zu übertragen war in dieser Zeit eine Alternative zu eingeschränkten Teilnehmerzahlen, wird aber ganz sicher weiterhin angeboten und entsprechend verbessert und ausgebaut werden.


Zum Austausch halte ich ein interaktives Gedenkportal wie ERINNERUNG AN DICH für eine wirklich gute Idee, denn es bietet eben die Möglichkeit, persönliche Erinnerungen, Geschichten und Fotos mit anderen zu teilen und so lebendig zu erhalten.


Sabine Baerwald: Für unsere Website ERINNERUNG AN DICH haben Sie die fiktiven Geschichten des Max Mustermann geschrieben – wie wichtig ist die Erinnerung an solche Anekdoten für die Trauerverarbeitung?


Bertram Wilken: Solche Geschichten erinnern an das Leben; an das, was man gemeinsam erlebt hat; an Spaß, den man zusammen hatte, an besondere Tage, Unternehmungen, usw.


Ich glaube, diese Erinnerungen helfen vielen, die Gemeinsamkeit lebendig zu erhalten. Reine Lebensdaten, wie sie leider oft in Ansprachen „heruntergebetet“ werden, sind dagegen völlig inhaltslos und nützen niemandem.


Sabine Baerwald: Herr Wilken, Sie bieten nun auch Hochzeitsreden an und werden damit zu einer Art „Familien-Redner“. Ich stelle es mir sehr schön vor, für Familien auf allen größeren Stationen ihres Lebens als Redner tätig zu werden – Hochzeiten, runde Geburtstage, Sterbefälle… Inspiriert es Sie in Ihrer Arbeit, in dieser Form eine Familie zu begleiten?


Bertram Wilken: Hochzeitsreden, also die sog. freie Trauung, habe ich nie aktiv angeboten, aber es ergab sich vereinzelt. Teilweise aus Sterbefällen, die ich begleitet habe, oder aus meinem Bekanntenkreis heraus. So eine Tätigkeit als „Familien-Redner“, wie Sie es skizzieren, könnte ich mir für mich aber absolut nicht vorstellen.


Sabine Baerwald: Vielen Dank für dieses Gespräch – Ich wünsche Ihnen weiterhin viel Erfolg.




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